Pforzheim Rathaus

Ist Pforzheim „der Vorhof zur Hölle“?

Warum hat die Stadt so einen schlechten Ruf?

Der Himmel ist grau – so wie die Fassaden vieler Gebäude rund um den Bahnhof in Pforzheim. Es nieselt, und die Sonne wird in den nächsten Stunden kaum zu sehen sein. Dafür dominieren vielerorts Grautöne, nicht nur rund um den Bahnhof. Man könnte also mit einem Augenzwinkern sagen: Wie passend – dieser schmuddelige Herbsttag scheint wie bestellt für eine Erkundung der angeblich hässlichsten Stadt im Land. All die Vorurteile über Pforzheim sollten sich schnell bestätigen lassen. Doch weit gefehlt, es wird anders kommen.

Die 130.000 Einwohner zählende (und stetig wachsende) Stadt im Badischen hat schon lange den Ruf, hässlich zu sein. Auch auf Social-Media-Plattformen wie Reddit oder X, vormals Twitter, wird sie regelmäßig genannt, wenn gefragt wird, wo es besonders grauselig sei. Pforzheim wird da als „Vorhof zur Hölle“ beschrieben. Ein anderer Kommentator erklärt: Pforzheim sei „an Hässlichkeit kaum zu überbieten.“ Und eine Frau bemerkt: „Sieht aus wie ein Gefängnis!“

Eine Begebenheit, die sich vor zwei Wochen auf dem Weg von Berlin nach Wismar ereignete, scheint dies zu bestätigen. Ein paar junge Männer steigen in Wittenberge in den Bus, der auf der Teilstrecke nach Karstädt als Schienenersatzverkehr dient. Die Jugendlichen unterhalten sich lebhaft, und irgendwann sagt einer mit breitem Grinsen zu seinen Kumpels: „Fahrt bloß nie in meine Heimatstadt! Pforzheim ist die hässlichste Stadt in ganz Deutschland!“ Sogar in Sachsen-Anhalt wird die einst ruhmreiche Goldstadt verspottet. Diesen Schmähworten muss natürlich auf den Grund gegangen werden – vor Ort, bei einer ganztägigen Visite.

„Pforzheim ist scheiße“

Kurz vor zehn Uhr am Bahnhofsvorplatz. Einige Schüler stehen herum. Ein Mädchen antwortet auf die Frage, wie ihr die Stadt gefällt: Die Fassaden seien leider „alle grau“, Pforzheim sei wohl „renovierungsbedürftig“, vielleicht helfe „ein bisschen Farbe“. Das Mädchen wählt ihre Worte mit Bedacht, lächelt ein wenig gequält. Ihrer Freundin indes reichen drei Worte, um die Stadt zu beschreiben: „Pforzheim ist scheiße!“

Auf dem Weg in Richtung Marktplatz schlendert der Besucher an Dönerläden und Handy-Shops vorbei. Ein älterer Herr trägt eine Tasche mit der Aufschrift „Für eine bessere Zukunft“. Auf die Frage, ob der Slogan auch für Pforzheim gelten könnte, schweigt er nur.

Beton und leere Geschäfte

Vielerorts sieht man Beton- und Glasfassaden, die schon bessere Tage gesehen haben. Das riesige Kaufhof-Galeria-Gebäude in der Fußgängerzone steht leer. Auf einem Plakat ist zu lesen: „Wir sagen Danke, Pforzheim. Wir verabschieden uns von treuen Kund

und tollen Kolleg. Bis ganz bald in unserer Filiale in Karlsruhe.“ Ein weiterer Tiefschlag für die Pforzheimer Seele.

Erinnerungen an bessere Zeiten

Gegen elf Uhr vor dem neuen Rathaus, einem Betonklotz aus den 1970er Jahren. Ein Arbeiter im knallgelben Schutzanzug – im Moment der einzige Lichtblick – säubert den Marktplatz mit einem Hochdruckreiniger. Eine Frau, etwa Mitte 50, macht mit ihrem Smartphone ein Foto von der Szene. Auf die Frage, ob ihr der Platz so gut gefalle, antwortet sie trocken: „Sicher nicht.“ Das Trio – sie, ihre Nichte und ihre Mutter – ist sich einig: Pforzheim war früher schöner. Heute sei die Stadt allenfalls „bekannt für Billigfriseure und Dönerläden“, bemerkt die Nichte. Gibt es denn gar keine idyllischen Ecken? „Doch, den Hauptfriedhof.“

Dillsteinstraße und Hoffnungsschimmer

Gegen Mittag in der Dillsteinstraße. Hier gibt es kleine, schmucke Boutiquen und nette Cafés. Die Frau von der Tourist-Information hatte Recht, wirklich hübsch hier. Ein Geschäft verkauft exklusive Sonnenbrillen, wie Philipp Dörflinger erzählt, der hier zur Verabredung erscheint.

Dörflinger, in Pforzheim geboren und zur Schule gegangen, war bis vor kurzem Stadtrat und ist jetzt Vorsitzender des Vereins „Pforzheim mitgestalten“. Er erzählt stolz von der Stadt und den Projekten, die er und andere hier anstoßen wollen. Dörflinger glaubt fest an die Zukunft Pforzheims und zeigt auf die vielen schönen Orte, die oft übersehen werden.

Goldstadt und Designzentrum

Ein kurzer Stopp an der Enz. Direkt am Ufer steht ein imposantes Gebäude: das Melanchthon-Haus von 1914. Es hat den Krieg überlebt und beherbergt heute ein Designstudio sowie einen mehrfach preisgekrönten Friseur. „Von wegen nur Billigfriseure!“, bemerkt Dörflinger.

Auf dem Rückweg in die Innenstadt am Nachmittag geht es zum Wildpark, einem seiner Lieblingsplätze, und später zur Sparkasse im Turm-Quartier, die einen Goldschalter und einen Goldbarren zum Anfassen bereithält.

Ein lebenswertes Pforzheim

In der Café-Bar Ozon, direkt gegenüber dem tristen Bahnhofsgebäude, geht die Tour zu Ende. Hier erzählt ein Barkeeper, der wie Dörflinger in Pforzheim aufgewachsen ist, warum er nach einem Design-Studium in München und einigen Jahren in New York zurückgekehrt ist. Trotz der schlechten Bewertungen und des teils düsteren Rufs ist Pforzheim für ihn eine Stadt mit Potenzial und einem besonderen Charme.